Im Folgenden dokumentieren wir zwei Texte aus dem letzten Jahr, in denen ausgehend von Erfahrungen im universitären Alltag eine Kritik der geistes- und sozialwissenschaftlichen Müllproduktion, ihrer Protagonisten sowie ihrer gesellschaftlichen Bedingungen und Auswirkungen versucht wird.
Bettina Fellmann: Philosophieren im Stande allgemeiner Unmündigkeit.
Die Arbeit widmet sich der Auseinandersetzung geistiger Wesen, zu welchen Menschen im geisteswissenschaftlichen Betrieb reduziert sind, mit ihrem Geist und seinen Produkten, der gängigen Ausblendung und Relativierung wirklicher Situationen und Umstände, als auch der Weise, wie die Wirklichkeit zur Illustration des Denkens instrumentalisiert wird. Im allgemeinen ist und wird an der Akademie jeder kritische Gedanke formal erstickt; richtige Gedanken oder Gedanken über Wirkliches finden keine Erwiderung, sondern werden im Gegenteil rigoros ausgeschlossen und in die Zuständigkeit anderer Bereiche verwiesen. Die beständige, verkehrte Einrichtung der Verhältnisse und damit der „menschlichen Lebenswelt“, deren eine wesentliche Grundlage die Verwertung und Vernichtung von Lebenden bildet, zwingt zu ihrer in sich vielfach widersprüchlichen Reflexion und Kritik. Durch die ordnungsgemäß erscheinenden Epochen hindurch gilt es, darin ihre Ähnlichkeiten aufzufinden, als auch durch die Allgemeinheiten hindurch die jeweilige besondere Gestalt der Zeit zu erfassen. Ansatzweise wird eingegangen auf die Unfähigkeit, Zusammengehöriges und Grundverschiedenes im richtigen Verhältnis zueinander wahrzunehmen und adäquat zu beurteilen, auf die Virtualisierung menschlicher Verkehrs- und Ausdrucksformen und nicht zuletzt auf die verheerende Sehnsucht, sowohl durch das Aufgehen im Denken ans Bestehende anschließen, als auch umgekehrt durch den Anschluss ans Bestehende im Denken aufgehen zu können.
Bettina Fellmann: Philosophieren im Stande allgemeiner Unmündigkeit. (PDF, 671kB)
Carl G. Bronetto: Business as usual. Szenen vom Schauplatz der Entsorgung der Wahrheit durch die pluralistische Geisteswissenschaft.
Der Text widmet sich der Aufarbeitung der über zwei Semester hinweg erlebten akademischen Selbstzerstörung der Aufklärung in geschichts- und kulturwissenschaftlichen Seminaren. Deutlich wird dabei, dass das, was in den Geistes- und Sozialwissenschaften Pluralismus heißt: die Kompetenz, verschiedenste Perspektiven zum jeweiligen Gegenstand der Diskussion einzunehmen oder mindestens anzuerkennen und an einander relativistisch zu entleeren, das Gegenteil vernünftiger Offenheit des Denkens ist. Zu begreifen ist es vielmehr als Symptom intellektuellen Verfalls, der Kapitulation vor dem individuellen wie gesellschaftlichen Wahnsinn. Das zeigt sich besonders darin, dass Wahrheit als Erkenntnisziel in einem solchen Denken liquidiert ist und daher von Erkenntnis im Sinn des Erfassens eines objektiv Wesentlichen nicht mehr die Rede sein kann. Es zeichnet sich letztlich aus durch die Weigerung, zu fragen, was gesellschaftlich der Fall ist, ebenso wie die, über das, was ist, vernünftig zu urteilen. Die stattdessen betriebene differenzierende, theorieeifrige Bewirtschaftung noch der banalsten Sachverhalte blamiert sich, wie gezeigt wird, vollends in der Analyse des Nationalsozialismus und seiner Vernichtungspraxis.
Carl G. Bronetto: Business as usual. Szenen vom Schauplatz der Entsorgung der Wahrheit durch die pluralistische Geisteswissenschaft. (PDF, 1MB)