Film und Gespräch mit Moritz Liewerscheidt
18. Oktober | 20 Uhr | Cineding (Karl-Heine-Straße 83)
Der Essayfilm von Moritz Liewerscheidt reflektiert das Verhältnis von deutscher Gegenaufklärung und marxistischer Philosophie am Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert vor dem Bildhintergrund des 21. Jahrhunderts. Aufklärerische Fortschrittsaffirmation und romantische Fortschrittskritik treffen auf die vollendeten Tatsachen einer spätkapitalistischen Gesellschaft. Aus der Kombination von gesprochenen historischen Texten aus dem Off mit Gegenwartsbildern, die ihrerseits den Kontrast von Großstadt und ostdeutscher Provinz zeigen, ergeben sich dabei oft Szenen von schlagender Absurdität. Im Fokus des Films steht vor allem die regressive Tendenz einer Fortschrittskritik, die nicht zufällig in offenen Antisemitismus mündet und außerdem deutliche Parallelen zu zeitgenössischen Formen populärer Kapitalismus- und Globalisierungskritik aufweist. Der Film zeigt auf, dass sich in ihr Kernelemente nationalsozialistischer Ideologie finden und verfolgt schlaglichtartig deren Formierung zum Weltbild. Die Konfrontation von Texten aus einer Zeit vor dem Nationalsozialismus mit Aufnahmen aus dem heutigen Deutschland macht Liewerscheidts Film gleichzeitig zu einer Auseinandersetzung damit, wie im 21. Jahrhundert mit dem Erbe des Nationalsozialismus verfahren wird. Er endet in einem entsprechenden zeitgenössischen Katastrophenbild: Junge Menschen posieren für Urlaubsfotos auf den Betonklötzen des Berliner Holocaust-Mahnmals und erfüllen damit den Wunsch des vormaligen Staatsantifaschisten und Protagonisten eines „Aufstands der Anständigen“ Gerhard Schröder, dass das Mahnmal ein Ort sein solle, „zu dem man gerne hingeht“.
Moritz Liewerscheidt studierte Geschichte und Philosophie in Düsseldorf und besuchte später die Kunsthochschule für Medien in Köln. 2012 schloss er mit dem Filmprojekt Jahrhundertwende sein dortiges Studium ab. Liewerscheidt ist außerdem Autor des Buchs „Zeit der Götter“ – Lutz Dammbeck als medialer „Waldgänger“ (AV Verlag 2014).
Jahrhundertwende: D 2012, 30 Min., R.: Moritz Liewerscheidt