Aufbruch des konformistischen Geistes – Thesen zur Kritik der neoliberalen Universität

Vortrag und Diskussion mit Gerhard Stapelfeldt
11. Juli | 18 Uhr | Universität Leipzig (GWZ) | Raum 2.010

Die Verwandlung der Universitäten in Wissensbetriebe zur Produktion von ökonomisch verwertbarem Wissen und von „Humankapital“ folgt der Geschichte der “Zerstörung der Vernunft” (Lukács) und ist insofern keineswegs ein neues Phänomen. Neu ist jedoch die neoliberale Form dieses Verfalls der Bildungs-Utopie. Sie wurde nach 1990 eingeleitet im Kontext des europäischen Binnenmarktes und der Gründung der WTO. Der Start wurde 1999 in Bologna gegeben. Durch die Universitätsreform soll sich, nach dem Willen der EU, Europa in den weltweit größten und dynamischsten wissensgestützten Markt verwandeln.
Die Folgen dieser Reform sind vielfältig. Ökonomisch nicht verwertbares Wissen, das vor allem in den Geisteswissenschaften erarbeitet wird, wird nicht mehr gebraucht. Die Forschung wird nicht auf Wahrheit, sondern auf ökonomische Werte verpflichtet. Die Lehre spielt nur noch eine untergeordnete Rolle. Das Studium gilt nicht mehr der Bildung, sondern reproduzierbarem, verwertbarem Wissen. Überall, zwischen und in den Universitäten, herrscht der Wettbewerb. Jeder kalkuliert und evaluiert jeden und sich selbst. Es entsteht ein Wettlauf, um zur Elite zu gehören. Das gelingt nur durch Anpassung an den Zeitgeist. Die neoliberale Universität zerstört die Idee der Bildung, setzt die Lehre herab, verwandelt Studierende in autoritäre Charaktere und läßt die Idee der Wahrheit hinter sich.
Das alles geschieht unter der proklamierten Zielsetzung, Forschungsleistungen zu steigern und die Lehre effektiver zu gestalten. Die Universität wird reformiert, bis sie – als Utopie und als deren ideologische Erscheinungsform – liquidiert ist. Darum gilt es den “Bologna-Prozess” nicht zu “reformieren”, sondern theoretisch und praktisch zu kritisieren, also abzuschaffen.

Gerhard Stapelfeldt war bis 2009 Professor für Soziologie an der Universität Hamburg und ist u.a. Autor von “Der Geist des Widerspruchs. Studien zur Dialektik” (ça ira Verlag).